Zunächst müssen wir verstehen, was Inflation eigentlich für jeden von uns bedeutet. Das scheint irgendwie jeder wegzuschieben. Es bedeutet vor allem für jene (unsere Mittelschicht) mit Sparguthaben und monetärem (Euro) Vermögen einen Kaufkraftverlust. Bei derzeit 10% Inflation bedeutet das konkret, dass Sie sich mit 100 € jetzt nur noch das leisten können, was im Vorjahresvergleichsmonat rund 91 € gekostet hat. Die Inflation nimmt Ihnen rund 9 € weg. Nach etwas mehr als sieben Jahren wäre Ihr Geld bei der derzeitigen Inflation nur noch die Hälfte wert! Die Hälfte! Die Hälfte Ihrer Arbeitszeit, die Sie für das Ansparen aufgewendet haben: UMSONST!! Sollten Sie aktuell z.B. 100.000 € Barvermögen haben, können Sie sich in sieben Jahren davon nur noch die Hälfte (ich wiederhole mich absichtlich) kaufen als heute (die Preissteigerung ist natürlich nicht bei allen Produkten gleich). Dann brauchen Sie für zwei VW Tiguan nicht 100.000 €, sondern 200.000 € (unter der Annahme, dass die Preisentwicklung beim VW Tiguan der allgemeinen Teuerungsrate entspricht). So schnell hat man das nun aber nicht beisammen. 

Ich wundere mich immer, dass so mancher wegen 0,2% Zinsen stöhnt und große Diskussionen beginnt, während die Inflation 10% auffrisst. Zudem kommt die heimliche Progression. Das bedeutet, dass Sie für gleiche Kaufkraft mehr Geld verdienen müssen und dadurch in einen höheren Steuersatz rutschen/mehr von Ihrem Einkommen versteuern müssen, ohne dass Sie mehr davon haben. Dies nur noch als eine von vielen weiteren negativen Konsequenzen.

Was können Sie also machen? Lassen Sie es mich in einem Satz zusammenfassen: Schaffen Sie Redundanz und seien Sie skeptisch. Schauen Sie sich um (z.B. in ihrem Körper). Die Natur ist voller Redundanz (zwei Augen, zwei Ohren, zwei Lungenflügel, zwei Nieren, …). Das hat sich offensichtlich über Jahrmillionen als sinnvoll erwiesen. Im Rahmen des modernen Effizienzdenkens wäre das Kredo wohl eher: Ein Auge reicht, zwei Ohren übertrieben und eine Niere lässt sich ganz wunderbar verkaufen. Da gibt es Einspar- und Gewinnpotenziale!! Wer fordert so etwas? Wir alle. Denn wir alle sind beispielsweise über unsere Versicherungen Anteilseigner an unzähligen Unternehmen. Und natürlich wollen wir dafür etwas haben. Wo kein Wachstum mehr erreicht wird, werden Kosten eingespart – über Effizienzmaßnahmen. Während Corona hat man dann gemerkt: Die Lieferketten sind zwar effizient, aber nur, wenn alles läuft und man sich auf asiatische Zulieferer verlassen kann.

Ein kurzer Maßnahmenkatalog in Sachen Redundanz und (teilweiser) Inflationsabsicherung könnte wie folgt aussehen (Achtung: Wir möchten darauf hinweisen, dass nachstehende Hinweise lediglich als Beispiele zu verstehen sind. Wir machen keine Vermögensberatung und maßen uns dies auch nicht an):

•          Verschulden Sie sich nach Möglichkeit nicht für den privaten Konsum (ja, auch das Auto gehört dazu). Zwar sind Schuldner im Normalfall die „Gewinner“ der Inflation, aber nur so lange, wie die Wirtschaft weiterläuft und Jobs nicht in Gefahr sind. Zudem kann eine früher oder später unumgängliche Zinserhöhung dafür sorgen, dass Darlehensverlängerungen sehr sehr teuer werden, bzw. der Kapitaldienst eigentlich für die Lebenshaltung benötigt wird.

•          Seien Sie vorsichtig mit Immobilien. Niemand kann sagen, ob wir hier nicht bereits eine Blase haben. Zwar können Sie Mieten indexieren, aber auch Immobilienpreise können (stark) fallen, wenn die Nachfrage zurückgeht. Und wenn mit konservativen Anlagestrategien wieder (halbwegs) vernünftige Zinsen erwirtschaftet werden, wird die Nachfrage nach Immobilien ggf. zurückgehen (die letztens nur noch minimale Renditen erwirtschafteten). Teure Darlehensverlängerungen und Lebenshaltungskosten können viele Immobilieneigner zwingen, Eigentum zu verkaufen, so dass sich die Marktlage komplett ändern könnte.

•          Rechnen Sie für Ihr Geschäft mit unterschiedlichen Szenarien und seien Sie auf möglichst viele Entwicklungen vorbereitet. Bereiten Sie Ihre Kunden auf Preisanpassungen vor und erklären Sie diese. Vielleicht schaffen Sie es auch, den (wahrgenommenen) Wert Ihres Angebots (z.B. durch eine neue Außendarstellung) anzuheben, so dass Ihre Kunden die Preisanpassung besser in Kauf nehmen. Stellen Sie sich darauf ein, dass viele Menschen in naher Zukunft genauer überlegen werden, für was das Geld ausgegeben wird. Die „Notwendigkeiten“ werden dabei wieder einen höheren Stellenwert bekommen.

•          Versuchen Sie nicht über Effizienz noch den letzten Euro an Kosten einzusparen (z.B. beim Personal oder bei Zulieferern), sondern schaffen Sie auch hier Redundanz. Das schmälert vielleicht Ihren momentanen Gewinn, sichert Sie jedoch (hoffentlich) für schlechte Zeiten ab. Sie investieren damit in nicht monetäre Werte – und in Ihre Zukunft.

•          Setzen Sie auf regionale Kooperationen, Partnerschaften und (Geschäfts-)Beziehungen. Sorgen Sie dafür, dass Sie nach Möglichkeit nicht nur von einem Lieferanten (aus Übersee) abhängig sind.

•          Sollte Ihr Geschäft von (Dollar) Importen abhängen, können auch Sie sich als kleinerer Anleger am Kapitalmarkt gegen Währungsrisiken absichern.

•          Investieren Sie Ihr Geld primär in „Greifbares“. Die Industrie macht es derzeit vor. Hier werden nach Möglichkeit alle Lager gefüllt. Der Preis für Güter wird voraussichtlich weiter steigen. Achten Sie aber darauf, dass Sie entweder nicht mehr kaufen, als Sie selbst vor einem Verfall verbrauchen können oder dass im Rahmen eines späteren Verkaufs nicht die Transaktionskosten Ihren „Gewinn“ übersteigen.

Wenn Sie Ihr Geld am Kapitalmarkt anlegen, ist es „irgendwo“ in den Händen von „irgendwelchen“ Menschen, deren primäres Interesse es meist ist, sich einen Sportwagen und ein Haus in den Hamptons zu kaufen. Vielleicht hat die örtliche Energiegenossenschaft keine so tolle Rendite zu bieten, aber dafür einen langfristig günstigen Strompreis. Anteile an einer mittelständischen Gärtnerei werden Sie im monetären Sinne nicht reich machen, aber Ihnen (weitestgehend) unabhängige Lebensmittel liefern.

•          Investieren Sie in Ihre eigenen Fähigkeiten. Das kann Ihnen niemand nehmen und der Banker bei Goldman Sachs kann nicht damit zocken.

•          Pflegen Sie Ihre Sozialkontakte auch außerhalb wirtschaftlicher/unternehmerischer Kontakte. Das war seit Jahrtausenden unser Sicherheitsnetz und wird es auch bleiben.

•          Kaufen Sie keinen Ramsch. Niemand weiß, wie lange Sie die Sachen nutzen müssen. Und auch der Ramsch wird immer teurer. Qualität sichert Sie gegen laufende Wiederbeschaffung und Inflation ab.

•          Pflegen Sie Werte, die keine wirtschaftliche Dimension haben. Dann bleibt Ihnen etwas, falls die ganze Kiste gegen die Wand fährt.

•          Investieren Sie in Anlagen mit mehreren Nutzungsoptionen! Die Rendite von ausgesuchten „Nahrungsmitteln“ (Wein, Whisky, etc.) ist oftmals besser als so manches Aktienpaket – und im Zweifel kann man sich zumindest ordentlich besaufen. An einer schönen Uhr können Sie sich Jahre erfreuen, sie Ihren Kindern vererben, sie (vielleicht) teurer verkaufen oder beim Hamstern gegen fünf Eier tauschen.

•          Investieren Sie in Anlagen, die sich an die Inflation anpassen können! Dazu gehören beispielsweise („greifbare“) Unternehmen, am besten das eigene.

•          Verteilen Sie Ihr Barvermögen (dazu zählen auch Bankguthaben) auf unterschiedliche Währungen, die evtl. nicht gleich stark von Inflation betroffen sind, z.B. Dollar (Achtung bei Transaktionskosten).

•          Behalten Sie etwas Cash (falls möglich, ggf. in Dollar bzw. mehreren Währungen)! Schon „jeher“ verläuft die Wirtschaft in Zyklen. In Rezessionen werden viele Menschen ärmer und einige wesentlich reicher. Diejenigen, die (Bar)Reserven haben, können zu Tiefstpreisen kaufen (z.B. Immobilien).

•          Richten Sie finanzielle Pufferzonen ein, behalten Sie Reserven und investieren Sie nicht auf Kante in Konsumgüter. So sichern Sie sich etwas gegen wirtschaftliche Erdbeben ab und können Ihre Stromrechnung bezahlen. Die Löhne werden wahrscheinlich langsamer steigen als die Inflation. Das bedeutet, Sie brauchen etwas in der Hinterhand. Die liquiden (Euro)Reserven sollten jedoch nicht zu hoch sein.

•          Investieren Sie in Ihre Zeit! Diese ist unter Garantie endlich (stark deflationäre Tendenz nach hinten raus). Ich bin mir sicher, am Ende Ihres Lebens würden Sie jede Menge Geld für eine zusätzliche Stunde (bei guter Gesundheit) zahlen/tauschen. Das bedeutet nicht, dass Sie keine wirtschaftlichen Interessen verfolgen sollten, sondern primär, dass Sie eine Balance und Redundanz (auch bei anderen Werten) schaffen sollten.

Zusammenfassen lässt sich das alles mit einem Satz: Die Hütte brennt und vielleicht ist es zu spät zum Löschen. Da ist es immer gut, wenn man vorher noch alles rausgeräumt hat. Oder wir bleiben unserer bisherigen Strategie treu und machen einfach weiter wie immer, ganz nach dem Motto: Sei‘s drum.

Quellen:

ÖAW-Lecture Hans-Werner Sinn: Die neue Inflation

Die Kautschuk Apokalypse

Handelsblatt zum Thema Inflation

EZB